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Wenn man die kunsthistorischen Epochenbegriffe seit Richard Wagners Romantik und Historismus in ihrer zeitlichen Dauer aneinanderreiht, bemerkt man, dass sie sich immer schneller ablösen.

Impressionismus, Symbolismus, Jugendstil, Expressionismus, Kubismus bis Pop-Art und dem heutigen - recht schwammigen - Begriff der Postmoderne als Gegenbewegung zur Strenge der Bauhaus-Moderne.An der Rezeptionsgeschichte der Werke Richard Wagners kann man die Wechsel an Bühnenbild und Inszenierung ablesen. Entsprechend ratlos steht der Musikfreund vor den heutigen, modischen Produktionen, in denen uns Regisseure und Bühnenbildner ihre intimen Obsessionen darbieten, wobei es ihnen völlig gleichgültig ist, ob wir ihnen folgen. Das 'Werk' ist nichts als Steinbruch und Stichwortgeber, wer sich auf seinen Wert beruft, erntet nichts als Spott.

Das Symposium, das Staatsoper und Musikhochschule am Mi., 9. Juni 2010, arrangiert hatten, bot Interessierten Gelegenheit mit Bühnenbildner und Dramaturgen der 'Ring'-Produktion von Kosky-Grünberg zu diskutieren und deren Denken kennenzulernen.

Und das geht so: man nehme eine Oper, möglichst von Richard Wagner, denn die hat im Spielplan immer einen hohen Stellenwert und Produktions-Etat, fische eine Textzeile heraus und assoziiere.

Beispiel: 'Tristan' >> löse von der Welt mich los <<, also dreht sich das Kabuff auf einem Riesenrad montiert, in dem das Liebesduett im 2. Akt stattfindet. Die Sänger müssen also der Drehbewegung folgen.

Alles klar? Jetzt also 'Die Walküre' in Hannover.

Siegmund, als ziemlich depperter, junger Mann mit infantilen Zappelbewegungen angelegt: Vincent Wolfsteiner - mit strammer, aber leider näseliger Stimme. Sieglinde, ein verhuschtes, graues Hausmäuschen, erbarmungswürdig scheußlich gekleidet: Kelly God - wunderschön leuchtend und beseelt singend. Also Augen zu!

Hunding, gelehriger Schüler von so was wie 'Ekel Alfred', zeigt handgreiflich, was nach Meinung des Regisseurs die Weiber brauchen: Tritte in den Hintern, zerren, schubsen, Hiebe mit dem Ledergürtel: Albrecht Pesendorfer singt dabei mit prachtvoll, gesundem Bass.

Wotan, ein mittelständischer Boss, auf Körperertüchtigung durch joggen und stretching bedacht, umgeben von Bodyguards, Sekretärin, Sex-Protz, der aber wegen Ungehorsam seiner Elite-Truppe und Fehlspekulation in die Krise gerät: Renatus Meszar, als Gast aus Weimar, stimmlich unauffällig, im Feuerzauber schöne Piano-Phrasen.

Brünnhilde, eine schwarz-lederne Rocker-Mieze, mit Totenkopf-Leibchen, das etwas länger über ihrem Popo hängen dürfte, glaubhaft in jeder Ausdrucks-Phase und jugendlichen Bewegungen: Brigitte Hahn, herrlich, leuchtend, gesund, gekonnt, unermüdlich bis zu den letzten kräftezehrenden Kantilenen singend - na, gut, die Tiefe ist bei einem vom Lyrischen kommenden Sopran etwas schwach - aber, was soll's, Augen zu, dann ist sie die Perle des Abends! Bravissima!

Fricka, die hübsche Person trägt ihr gut geschnittenes aber scheußliches Orange-Fummelchen und die lila Schuhe mit Eleganz, auch hat der Regisseur aus ihr eine Zicke gemacht, für die kein Mann ein Auge opfern würde. Bisher hielt ich (aus eigener Erfahrung) die Figur für die Vertreterin des Rechts, aber was kann man tun gegen den 'Verlust aller Werte'? Khatuna Mikaberidze, singt mit ihrem Mezzo merkwürdig unausgeglichen, ‘brockenweise’, so dass eine geschlossene Gesangs-Linie nicht erkennbar ist und textunverständlich.

Die Walküren, eine Girlie-Gang, verstärkt durch - wie beim Anblick von 'Tokio-Hotel' - kreischenden Teenies, prächtig singend und wild gegen 'Papa Wotan' agierend, man merkt ihnen den Spaß an - so soll es sein!

Zurück zu den kunsthistorischen Betrachtungen! Wir leben im Zeitalter der Bilder, der Optik. Alles und jeder wird nach der äußeren Erscheinung beurteilt. Es gilt also aufzufallen! Models, Boxen-Luder, Sportler-Frauen hungern sich halbtot, bleichen die Haare, Anhänger der Gothic-Szene kleiden sich schwarz, Trash-Jünger bevorzugen hässliche, bunte Fetzen, die Intellektuellen gehen im Schmuddellook. Wie also ist die postmoderne Bild-Welt von Kosky und Grünberg?

Richard Wagner wünscht sich für das erste Bild: 'Das innere eines Wohnraumes; um einen starken Eschenstamm, als Mittelpunkt, gezimmerter Saal. Rechts im Vordergrunde der Herd; ....' usw. Wir sehen in Hannover einen Raum mit Fliegengitter-Schiebetüren nach hinten, im 'Garten' liegt ein Ball (vielleicht für eventuelle kleine Hundinge), Ausgang rechts, Ausgang links zu Bad und Schlafzimmer, Kunstleder-Sitzgruppe usw. Statt Eschenstamm eine Beule an der Decke, aus der beim Herausziehen des Schwertes literweise eine glibberige Flüssigkeit fließt wie bei der Elefantengeburt.

Als zweites Bild wünscht sich Richard Wagner ein: 'Ein wildes Felsengebirge. Im Hintergrunde zieht sich von unten her eine Schlucht herauf.'

Wir aber sehen vor einem grauen Vorhang einen Steg mit Metall-Handgriffen, in der Mitte ein Treppchen. Dort joggt Wotan, fliehen Siegmund und Sieglinde, erscheint die todverkündende Brünnhilde, die sich mit dem 'Zappel-Siegmund' 'auf eine Stufe' setzt, während bei der Schilderung von Walhalls-Wonnen eine rote Laterne erblinkt, um einen 'Helden-Puff' anzuzeigen.

Für den dritten Aufzug soll laut Richard Wagner folgende Szenerie gebaut sein: 'Auf dem Gipfel eines Felsberges. Rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felsenhöhle ....' usw. Wir aber sehen eine Tankstelle in weiß-rosa, 'tiefgründiges' Traum-Symbol für kurze Rast und Weiterfahrt.Hier veranstalten die Walküren 'flashmob', fahren Autos nackte blutige Jünglinge herbei und versenkt Wotan seine Tochter in Schlaf, umgeben von etwas Benzin aus einem Zapfhahn und einem rosa Eimer. Da die Feuerwehr wohl das Zünden untersagt hat, bleibt es beim 'Feuerzauber' bei einer kleinen Fackel, 'ein Flämmchen blau' wie in Marschner's 'Hans Heiling'. Daran wird sich kein Eindringling verbrennen!

An diesem Abend haben wir zweierlei für eine Eintrittskarte erlebt:

Bei geöffneten Augen und zugehaltenen Ohren ein zeitgemäßes Musical mit allen Klischees: Prügelnder Ehemann, leidende, dusslige Zwangsehefrau, netter, etwas beschränkter Lover, fieser, arroganter, machtgeiler Boss, aufmüpfige Girlies, eine 'toughe' Außenseiterin.

Bei geschlossenen Augen erlebten wir eine wunderbare Musik von Richard Wagner, vorzüglich gespielt vom Staatsorchester unter seinem kompetenten GMD Wolfgang Bozic, dazu eine glänzende Sängerschar mit der Brünnhilde Brigitte Hahn als leuchtender Perle.

Höflicher Jubel für die Sänger und das Orchester, ratloses Gemurmel über das Gesehene - man muss ja mit der Zeit gehen.

Muss man?

Marie-Louise Gilles

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